TÜV SÜD bringt internationale Kindersicherheitsexperten zusammen
Kinder sind im Auto immer sicherer unterwegs. Dies gilt zumindest für Industriestaaten. 2019 verloren in Deutschland 21 Kinder als Mitfahrer bei Unfällen ihr Leben. 1978 waren es noch 273 gewesen. Einen wesentlichen Anteil an der Verbesserung der Sicherheit hat die Konferenz „Protection of Children in Cars“, mit der TÜV SÜD den Experten das weltweit bedeutendste Forum zum Austausch bietet. Sie fand jetzt zum 20. Mal statt.
Isofix, i-Size, Reboard, NCAP – diese Begriffe stehen für bessere Technik beim Transport von Kindern im Auto. Die verbundenen Maßnahmen haben ein hohes Niveau erreicht. Die 103 Experten aus 20 Ländern befassten sich für das Ziel einer weiteren Senkung der Zahlen von Verletzten oder Toten dieses Jahr verstärkt mit dem Faktor Mensch. Falsche oder gar fehlende Nutzung von Rückhaltesystemen für Kinder lassen sich nur schwer durch Technik vermeiden.
Nur einer von zehn gebrauchten Sitzen war sicher
Mancher Fehler beginnt bereits bei der Beschaffung eines Kindersitzes. Gebrauchte können erhebliche, aber nicht offensichtliche Mängel haben. Die spanische Nichtregierungs-Organisation AESVi kaufte zehn Stück für Kinder bis zu vier Jahre ein und testete sie nach den dafür gültigen Zulassungsregeln. Nur einer davon erfüllte sie noch. Bei einem Exemplar rissen beim Aufpralltest die Gurte aus der Kunststoffschale. In anderen Fällen waren sie falsch geführt oder in so schlechtem Zustand, dass sie nicht mehr ordentlich gespannt werden konnten. Erkennbar war mancher Mangel schon deshalb nicht für die Käufer, weil die Anleitung fehlte und somit beispielsweise eine falsche Gurtführung nicht ersichtlich war.
Mädchen seltener gesichert als Jungen
Großes Interesse fanden Vorträge zu Untersuchungen, die das Verhalten innerhalb von Bevölkerungsgruppen und zwischen den Geschlechtern verglichen. In Israel stammt beispielsweise die Hälfte der bei Verkehrsunfällen beteiligten Kinder aus der arabischen Bevölkerung, aber nur 24 Prozent aller Kinder in Israel gehört in diese Gruppe. Bei Verletzungen sind arabische Jungen und Mädchen gar dreimal so häufig repräsentiert. Der Grund ist in einer deutlich geringeren Sicherungsquote zu sehen. Der israelische Experte regte ein „cool aussehendes Design“ für Kindersitze an. Solche fänden bei älteren Jungen eher Anklang als „kindische“ Stoffmuster.
Überrascht waren die Teilnehmer der nun auch offiziell nach dem langjährigen Leiter Klaus Langwieder benannten Konferenz von einer Untersuchung aus Deutschland. Danach sind 19 Prozent der null bis elf Jahre alten Mädchen nicht richtig gesichert. Bei den Jungen waren es nur neun Prozent. Die Experten hätten ein umgekehrtes Resultat erwartet. Bei den verletzten Unfallopfern sind die Mädchen mit 5,2 Prozent leicht stärker vertreten. Immerhin ist die Misuse genannte falsche Anwendung von Gurten oder Sitzen bei Mädchen etwas geringer.
Amerikaner bevorzugen europäisches Isofix
Erstaunlich ist auch das Ergebnis eines Versuchs in den USA. Dabei sollten Personen sich entscheiden, ob sie die bisher in Nordamerika übliche Isofix-Befestigung über einen speziellen Gurt („Latch“) besser finden, oder die europäische Lösung. Bei der rasten starre Arme in die in beiden Fällen gleichen Halterungen ein. Klares Ergebnis: Obwohl an Latch gewöhnt, überzeugte die Lösung aus der Alten Welt die Mehrheit.
Eltern von Kindern mit Funktionseinschränkungen haben große Schwierigkeiten, ein geeignetes Rückhaltesystem zu bekommen. Wiederholt befasste sich die Konferenz mit diesem Thema. Bei den meisten Behinderungen braucht es praktisch Einzelanfertigungen, betonte eine Referentin aus Australien. Globale Regelungen hierfür seien wünschenswert.
Einen Schatten auf den eingangs erwähnten positiven Trend werfen selbst europäische Länder. Rumänien belegt in der EU den letzten Platz in Sachen Verkehrssicherheit. 219 Kinder kamen 2019 in Autos ums Leben. Und 2021 fuhren 70 Prozent der jungen Passagiere völlig ungesichert. Eine Expertin kämpft seit Jahren gegen die Nonchalance ihrer Landsleute beim Anschnallen und besonders gegenüber jungen Mitfahrern an. Sie setzt dabei auf die Kinder selbst: Kampagnen in Schulen und Kindergärten führen dazu, dass Kinder ihre Eltern erziehen. Die Erwachsenen seien nämlich überwiegend der Ansicht, ab sechs Jahren bräuchte es keine Sicherung mehr.